Donnerstag, September 27, 2012

Grundsatzurteil: Keine Sakramente ohne Kirchensteuer - SPIEGEL ONLINE

Keine Sakramente ohne Kirchensteuer, das ist nun amtlich. Aber wie misstrauisch muss die deutsche katholische Kirche sein, die Sakramente an Mitgliedsbeiträge zu binden? So wird sie in sich zusammensinken: Alte sterben, Junge bleiben weg. Die Kirche sollte auf Freiwilligkeit bauen.
Jetzt noch mal amtlich und mit Kirchensiegel und der größtmöglichen Arroganz: Keine Sakramente ohne Kirchensteuer. Erst zahlen, dann an die Kommunionsbank und in den Beichtstuhl. Das ist, was die deutsche Amtskirche in ihrem Schlingerkurs zwischen Staatsanpassung und spiritueller Leere derzeit ausmacht.
Der Kirchenrechtler Hartmut Zapp ist aus der katholischen Kirche in ihrem deutschen Verständnis ausgetreten. Nicht etwa, weil er den Glauben verloren hätte, sondern weil er an ihm festhalten wollte, gegen eine Kirche, die sich zunehmend als seelenloses Inkasso-Unternehmen begreift. Zapp war aus der römisch-katholischen "Körperschaft des öffentlichen Rechts" ausgetreten. Im Klartext: Er wollte sich weigern, weiterhin Kirchensteuern zu zahlen, ohne seinen Kirchenbesuch und den Empfang der Sakramente dafür aufzugeben. Das wurde ihm verweigert.
Der Staat verwies auf das Hoheitsrecht der Kirche, und die hat kalt und bürokratisch reagiert. Der Steueraustritt stelle eine "schwere Verfehlung gegenüber der kirchlichen Gemeinschaft" dar, befand die deutsche Bischofskonferenz. Nun hat Zapp die Brocken hingeschmissen.
Justiz und Kirche auf Schulterschluss. Eine haarsträubende, aber bislang offenbar haltbare Allianz, an der alle partizipieren. Die Kirche, weil sie sich so garantierte jährliche Einnahmen von 4,8 Milliarden Euro sichert. Der Staat, weil er zwei Prozent Gebühren kassiert. Und beide, weil sich in diesem glaubensfernen Automatismus offenbar gut leben lässt.
Für die Kirchenfernen ist die Nähe von Staat und Kirche schon lange eine Provokation, denn die Trennung der beiden gehört zu den Grundpfeilern der Moderne. Nirgendwo wird so peinlich darauf geachtet wie in den Vereinigten Staaten, erstaunlicherweise, denn die USA sind eine fromme Nation und dort wird in der "Pledge of allegiance" noch bei jedem Anlass beschworen: "Eine Nation unter Gott, unteilbar..."
Doch nicht nur die Aufklärung, auch die Religion selber wird geschädigt. Die reiche deutsche Amtskirche, die reichste der Erde, verwaltet ein Riesenheer an religiösen Karteileichen. Sie ist außen prächtig, innen aber leer. Jedes Jahr kehren ihr weit über 100.000 den Rücken. Die Mitgliedschaft in der Kirche wird gekündigt wie ein Abo, das man vergessen hat. Wie eine Art Kasko-Versicherung, deren Hintergrund-Sicherheit man irgendwann schätzte, aber nicht unbedingt in Anspruch nehmen möchte.
Nur 47 Prozent der Katholiken glauben an die Dreifaltigkeit
Nichts hat die katholische Amtskirche so verstört wie die Freiburger Rede des Papstes während seines Deutschland-Besuchs, der die "Entweltlichung" forderte. Der statt prächtiger Strukturen eine Besinnung auf den Glauben selber beschwor. Nicht ohne Grund: Laut einer neuen Allensbach-Studie glauben nur noch 47 Prozent der Katholiken an die Dreifaltigkeit. Nicht einmal die Hälfte also ist noch in der Lage, das "Credo" zu beten.
Das ist der Skandal, der den Heiligen Vater beunruhigt, und alle anderen Gläubigen beunruhigen sollte, und nicht etwa die Tatsache, dass der Zeitgeist Anstoß am Zölibat nimmt. Doch die deutsche Amtskirche paktiert lieber mit jenen 90 Prozent eingetragener Mitglieder, die der Kirche fernbleiben. Sie nennt es Reformweg. Sie hält den Widerspruch zum Zeitgeist nicht aus und möchte sich hinter den Mantelschößen des Staates verstecken.
Ich habe die Kirche in anderen Weltgegenden blühend erlebt - ohne jede Kirchensteuer. Eine Kirche, die ihren Gläubigen vertraut und ihrer Solidarität. Die ihr Leben aus freiwilligen Spenden und Kollekten finanziert und ihre Gemeinden auch dadurch zusammenschweißen.
Die Kirchensteuern helfen Caritas und anderen sozialen Hilfsdiensten? Wir wissen doch, dass nur ein Bruchteil der Gelder dort landen. Der überwiegende Teil geht für die Sicherstellung der Bürokratie drauf.
Welch klägliches Bild gibt hier unser deutsches Episkopat mit seiner Erklärung, die Steuerrebellion sei "eine schwere Verfehlung gegen die Kirchliche Gemeinschaft"! Ihm gehe es nicht, schrieb die Zeitschrift "Christ in der Gegenwart" dazu, "um die Ausgetretenen, sondern um die Rettung der Kirchenfinanzen". (Von den vornehm schweigenden protestantischen Brüdern und Schwestern soll hier ausnahmsweise ebenfalls mal geschwiegen werden.)
Die Zwangssteuer ist begrenzt
Wie fern und wie misstrauisch muss unsere deutsche katholische Kirche der Honoratiorenvereine und üppig ausgebauten Bischofsresidenzen den Gläubigen gegenüber sein, dass sie - nahezu einzigartig - die Sakramente an Mitgliedsbeiträge bindet, also an eine mittlerweile skandalöse Form des Ablasshandels in einer Welt, in der alles nur noch käuflich ist?
Wie kann diese Kirche im Ernst den Armuts-Helden, den Heiligen Franziskus als Modell für die Nachfolge anbieten, ja, erst recht jene Urgestalt, jenen Gottessohn, der mit zwölf leseunkundigen Jüngern durch den Sand von Palästina schritt und später, vor Pilatus, sagte: "Mein Reich ist nicht von dieser Welt."
Waren sie alle nicht Widerständler und bezogen daraus ihre Glut und ihre Faszination auf die Menschen?
Unsere Kirche wird bald in sich zusammensinken. Die stolzen Mauern werden fallen, denn auch die Zwangssteuer ist begrenzt: Die Alten sterben weg, die Jungen bleiben fern. Spätestens dann wird die Kirche erkennen, dass sie sich auf die stützen sollte, die sie bilden: die Gläubigen. Bis dahin? Gibt es eine schleichende Steuerrebellion, die an Fahrt aufnimmt: die der anderen.
Wir aber sollten rufen: Es reicht!
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